[WestG] [KONF] Forschungskolloquium zur mittelalterlichen Geschichte Osnabruecks

Marcus Weidner Marcus.Weidner at lwl.org
Fre Jan 27 14:52:47 CET 2006


Von: "Kehne, Birgit, Dr." <Birgit.Kehne at nla.niedersachsen.de>
Datum: 27.01.2006, 12:50


TAGUNG

Der im vergangenen Oktober unter dem Dach des Vereins für Geschichte und
Landeskunde von Osnabrück gegründete Arbeitskreis Stadtgeschichte
veranstaltete am 21.01.2006 sein erstes Forschungskolloquium, das sich in
diesem Jahr mit sechs Vorträgen der mittelalterlichen Geschichte Osnabrücks
widmete. 

Etwa dreißig Wissenschaftler(innen) aus den Bereichen Geschichte,
Archäologie und Bauforschung versammelten sich auf Einladung des
Arbeitskreises Stadtgeschichte am vergangenen Samstag im Ratssitzungssaal
des Osnabrücker Rathauses, um im internen Kreis neue Forschungsergebnisse
und -ansätze zum mittelalterlichen Osnabrück vorzustellen und zu
diskutieren. Organisiert und moderiert wurde die Tagung von den
Koordinatoren des Arbeitskreises, Dr. Karsten Igel und Dr. Nicolas Rügge.
Die starke Beteiligung von Wissenschaftlern aus Münster und dem übrigen
Westfalen dokumentierte die Bedeutung, die der Osnabrücker Stadtgeschichte
im Rahmen der westfälischen Geschichte zukommt, wie auch Prof. Werner
Freitag, Inhaber des Münsteraner Lehrstuhls für westfälische
Landesgeschichte, am Rande der Tagung anmerkte. In ihrem Grußwort betonte
Dr. Birgit Kehne, Leiterin des Staatsarchivs Osnabrück und Vorsitzende des
Historischen Vereins, dass der Osnabrücker Verein mit der
Justus-Möser-Gesellschaft und dem neu gegründeten Arbeitskreis
Stadtgeschichte nun über zwei der Forschung gewidmete Sektionen verfüge, was
für einen regionalen Geschichtsverein als große Ausnahme gelten könne. Auch
wenn an diesem Tag Osnabrück allein im Mittelpunkt stand, strebt der
Arbeitskreis eine enge Einbeziehung der übrigen Städte des ehemaligen
Hochstifts an. 

Nach einer kurzen Einführung von Dr. Karsten Igel wurde das Kolloquium mit
einem Vortrag von Ellinor Fischer eröffnet, die seit dem vergangenen Herbst,
gefördert vom niedersächsischen Kultusministerium, im Rahmen ihrer
Dissertation die zahlreichen Ausgrabungen zur frühmittelalterlichen Domburg
Osnabrücks auswertet. Neben der bisherigen Forschungsgeschichte und den
Ergebnissen der jüngsten Grabungen an der Schwedenstraße konnte sie erste
Deutungsperspektiven ihrer Arbeit präsentieren. Simone Heimann stellte
danach ihr Bamberger Dissertationsvorhaben zur Ausbildung von Architekten im
11. und 12. Jahrhundert vor, bei dem Bischof Benno II. von Osnabrück als
einer der bekanntesten bauenden Bischöfe des 11. Jahrhunderts im Mittelpunkt
steht. Bezogen auf Osnabrück allerdings kamen der Vortrag und die folgende
Diskussion zu dem Ergebnis, dass Benno II. an seinem Bischofssitz wohl
weniger durch herausragende bauliche Leistungen als durch seine berüchtigten
Urkundenfälschungen hervorgetreten sei. 

Die beiden folgenden Vorträge
wandten sich zwei der bedeutendsten, aber noch zu wenig erforschten
kirchlichen Einrichtungen des mittelalterlichen Osnabrücks zu. Tobias Crabus
betrachtete, ausgehend von seiner gerade in Münster abgeschlossenen
Doktorarbeit, das Verhältnis zwischen dem Kollegiatstift St. Johann und der
Stadt, insbesondere aber der Neustadt, in der St. Johann die dominierende
Kirche war. Er kam dabei auch zu dem Befund, dass die Neustadt in der
Osnabrücker Geschichtsforschung bislang nicht ihrer Bedeutung entsprechend
berücksichtigt worden sei. Dem Benediktinerinnenkloster auf dem
Gertrudenberg widmete Prof. Gudrun Gleba, zur Zeit Vertreterin des
Lehrstuhls für mittelalterliche Geschichte an der Universität Osnabrück,
ihren Vortrag. Anschaulich schilderte sie, wie das Kloster gleichsam immer
näher an die Stadt heranrückte und fast integriert wurde, aber auch die
unterschiedlichen Sichtweisen auf dieses Verhältnis von Seiten der Stadt und
des Klosters, das stets auf eine gewisse Distanz bedacht war. 

Michael James Hurst, Leiter des vom Archäologischen Arbeitskreis Osnabrück getragenen
Projektes zur Erforschung der Osnabrücker Steinwerke, bot einen
eindrucksvollen und engagierten Einblick in die Entwicklung der Osnabrücker
Steinwerke, die angesichts ihrer großen Zahl und ihrer Bauweise auch im
überregionalen Zusammenhang als bedeutende Zeugnisse mittelalterlichen
Bauens angesehen werden müssen. In seweinem abschließenden Vortrag zur
"Verortung von Herrschaft in der Stadt" skizzierte Dr. Karsten Igel, wie
sich das Verhältnis von Stadt und Bischof, der verschiedenen Gruppen der
Bürgerschaft untereinander und der beiden Teilstädte Osnabrücks, Alt- und
Neustadt, in der Gestalt und den Bauten der Stadt ausdrückte. Hier zeigte
sich auch, dass das Verhältnis von Alt- und Neustadt keineswegs so
konfliktfrei war wie in der bisherigen Forschung dargestellt, sondern die
Selbständigkeit der Neustadt schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts durch die
Ratsmehrheit der größeren Altstadt stark eingeschränkt wurde.

Das gesamte Kolloquium wurde von regen Diskussionen der Vorträge begleitet,
die auch in den Pausen intensiv weitergeführt wurden. Dabei lobten die
Teilnehmer vor allem den fruchtbaren Austausch zwischen Geschichte,
Archäologie und Bauforschung, der sich anlässlich der ersten Osnabrücker
Tagung dieser Art bot und der unbedingt weitergeführt werden sollte. Ein
wichtiges Fazit lag in der Feststellung, dass die Erforschung des
mittelalterlichen Osnabrücks im Vergleich zu anderen Epochen zwar gut
vorangeschritten sei und die Forschung auch weiterhin erfolgversprechende
Ansätze zeige, aber die Osnabrücker Neustadt bislang zu stiefmütterlich
behandelt worden ist. Daher planen der Verein für Geschichte und Landeskunde
von Osnabrück und sein Arbeitskreis im kommenden Jahr, in dem sich die
Vereinigung von Alt- und Neustadt zum 700. Mal jährt, eine öffentliche
Tagung zur Geschichte der Neustadt zu veranstalten. 


INFO

Dr. Birgit Kehne
Vorsitzende des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück e.V.
c/o Staatsarchiv, Schloßstr. 29, 49074 Osnabrück
0541/3316211
Birgit.Kehne at nla.niedersachsen.de