[WestG] [AKT] Oeffentliche Vorlesung "Dortmund und die Niederlande im Mittelalter", DO, 20.04.2006

Marcus Weidner Marcus.Weidner at lwl.org
Mit Apr 19 16:42:37 CEST 2006


Von: Uni Dortmund Medieninfo <medieninfo at uni-dortmund.de>
Datum: 19.04.2006, 16:18


AKTUELL

Vorlesungsreihe zur Ausstellung "Ferne Welten - Freie Stadt"
Dortmund und die Niederlande im Mittelalter

Die vielfältigen Beziehungen Dortmunds zu den Niederlanden stehen im
Mittelpunkt eines Vortrags am 20. April ab 19.00 in der Petrikirche.
Die aufeinander abgestimmten Vorträge von Dr. Nils Büttner, Dr. Klaus
Oehl und Prof. Dr. Barbara Welzel anhand verschiedener Beispiele, in
welchem Ausmaß die intensiven Handelsbeziehungen ihre Spuren in
Kunstwerken und Kompositionen hinterließen. Der Eintritt ist frei,
eine Voranmeldung ist nicht erforderlich.

Seit dem hohen Mittelalter unterhielten die Fernkaufleute Dortmunds
enge Handelsbeziehungen nach Antwerpen, und es war der Dortmunder
Kaufmann Hendrik Sudermann, der 1527 die Übersiedlung des
niederländischen Hansekontors aus Brügge nach Antwerpen betrieb.
Wenige Jahre zuvor war von den Dortmunder Franziskanern auch jenes
beeindruckende Schnitzretabel in Auftrag gegeben, das heute die
Petrikirche schmückt. Das so genannte Goldene Wunder ist das weltweit
größte Antwerpener Schnitzretabel seiner Zeit. Mit seinen Gemälden und
den mehr als 500 geschnitzten und aufwändig vergoldeten Figuren
dokumentiert es nicht nur die engen Handelsbeziehungen zwischen
Dortmund und den Niederlanden sondern zugleich die Blüte der
Antwerpener Kunstproduktion des 16. Jahrhunderts, der Dr. Nils Büttner
sich in seinem Vortrag widmet. Die Stadt an der Schelde war damals zur
bedeutendsten Metropole der westlichen Welt aufgestiegen. Um die Mitte
des Jahrhunderts standen dort 13.500 Häuser, in denen mehr als
hunderttausend Menschen lebten, während Rom - die "Hauptstadt der
Welt" - zu dieser Zeit nur etwa halb soviele Einwohner hatte. 

Mit dem enormen Bevölkerungswachstum und der Blüte des Handels ging eine
künstlerische und intellektuelle Blüte einher, die Maler, Humanisten
und Musiker aus allen Teilen der Welt in die Scheldestadt lockte.
Wissenschaften, bildende Künste und nicht zuletzt die Musik erlebten
damals in den Niederlanden eine nie dagewesene Blüte. Dr. Klaus Oehl
widmet sich in seinem Vortrag dem "Goldenen Zeitalter" der Polyphonie
der Niederländer am Beispiel der drei flämischen Komponisten Ockeghem,
de Rore und Lasso. Johannes Ockeghems (ca. 1420-1497) Kompositionsstil
neigt zum Monumentalen, um dann wieder eine mystische und
introvertierte Richtung einzuschlagen. Der im flämischen Renesse
(Renais) geborene Cyprian de Rore (1516-1565) ist als der Komponist in
die Musikgeschichte eingegangen, der das humanistische Ideal einer
innigen Wort-Ton-Beziehung in seinen Madrigalen auf wunderbare Weise
verwirklicht hat. Orlando di Lassos (1532-1594) erste Kompositionen
sind um 1555 in Antwerpen entstanden. Seine fünfstimmigen Madrigale
stellen den Höhepunkt der Entwicklung der niederländischen Polyphonie
dar. Die beiden aufeinander bezogenen Vorträge entfalten ein
weitgespanntes kulturgeschichtliches Panorama, das den historischen
Kontext des Goldenen Wunders lebendig werden läßt. 

Der dritte Teil des Abends öffnet dann den Blick nach Europa: Dortmund lag 
gewissermaßen in der Mitte zwischen Brügge und Antwerpen im Westen sowie 
Danzig, Tallinn/Reval und Novgorod im Osten. Die weite, durch zahlreiche
Handelskontakte und Familienbeziehungen geschaffene Vernetzung
Dortmunds im alten Europa neu zu entdecken, ist eines der Anliegen der
Ausstellung "Ferne Welten - Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter".