[WestG] [LIT] Jansen, Christian: Die Alexander von Humboldt-Stiftung (1953-2003)

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mit Feb 23 14:36:04 CET 2005


Von: "Josef König", <josef.koenig at presse.ruhr-uni-bochum.de>
Datum: 23.02.05 13:39


LITERATUR

Ein Baustein deutscher Außenpolitik
RUB-Studie zur Geschichte der Humboldt-Stiftung
Als Buch erschienen: Wissenschaftsförderung weltweit

Die Alexander von Humboldt-Stiftung prägt mit ihrer Arbeit das
Wissenschaftssystem und die Forschungslandschaft vieler Länder maßgeblich.
So lautet das Fazit des Bochumer Historikers Prof. Dr. Christian Jansen.
Zum 50jährigen Bestehen der Stiftung fasst er ihre Entwicklung aus der
Sicht eines Außenstehenden zusammen und zeichnet damit auch ein lebendiges
Bild deutscher Außen- und Kulturpolitik. Das Buch mit dem Titel "Exzellenz
weltweit. Die Alexander von Humboldt-Stiftung zwischen
Wissenschaftsförderung und auswärtiger Kulturpolitik (1953-2003)" ist im
DuMont-Verlag erschienen. 

Ein Wagnis für beide Seiten

Christian Jansen und sein Mitarbeiter Christoph Nensa nutzten das
umfangreiche Archiv der Alexander von Humboldt-Stiftung und führten
zusätzlich Interviews mit ehemaligen Mitarbeitern, Generalsekretären und
Präsidenten, um die Geschichte der Förderinstitution so spannend wie
umfassend darzustellen. Das Besondere an der Studie ist der Blick von
außen, als Historiker ohne Vorkenntnisse über innere Strukturen. Keine
leichte Aufgabe, denn einerseits sollen sie klarer und emotionsloser
urteilen können als ehemals Beteiligte, andererseits dürfen sie Gefühle und
Interessen der in der Regel noch lebenden Protagonisten nicht verletzen.
"Die Fragestellung ist politik- und mentalitätsgeschichtlich angelegt", so
die Autoren, "interne Prozesse und Konflikte in der Geschäftsstelle wurden
ebenso ausgeblendet wie die Persönlichkeiten der Präsidenten und des
Führungspersonals der Alexander von Humboldt-Stiftung." Dennoch bietet das
Buch spannende Einblicke in Probleme, typische Konflikte und Erfolge der
westdeutschen auswärtigen Kulturpolitik, vom erfolgreichen Wiederaufbau in
den 50er Jahren über die konfliktreichen 60er und 70er bis zur
Wiedervereinigung mit der DDR.

Umfassender Einblick in die Stiftungsgeschichte

Seit 1953 fördert die Stiftung insbesondere ausländische Wissenschaftler
und trägt so zur Internationalisierung der Wissenschaft und zum kulturellen
Austausch bei. Sie steht damit auch für die Entwicklung der Außen- und
Kulturpolitik der Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg. Zu Beginn war
das Forschungsstipendium für hochqualifizierte ausländische
Nachwuchswissenschaftler die einzige Form der Förderung. In den 70er Jahren
entschloss man sich dann, Forschungspreise an ältere bereits etablierte
Wissenschaftler zu verleihen und 1979 schließlich wurde mit dem
Feodor-Lynen-Programm auch eine Fördermöglichkeit für deutsche
Nachwuchswissenschaftler geschaffen. Der Etat der Stiftung ist von
vergleichsweise bescheidenen 400.000 DM im Gründungsjahr auf derzeit ca. 63
Mio. Euro gestiegen, die Anzahl der Mitarbeiter von einer nebenamtlichen
Geschäftsführerin und zwei Teilzeitkräften auf heute insgesamt 130
Angestellte. Neben der Geschäftsstelle in Bad Godesberg gibt es inzwischen
auch eine kleine Repräsentanz in Berlin.
 
Schwerpunkt Elitebildung

Wie kann man dem "Brain Drain" - der Abwanderung der weltweiten
Wissenschaftseliten - in die USA erfolgreich entgegentreten? Das ist die
Frage, die sich heute auch die deutsche Wissenschaftslandschaft zunehmend
stellen muss. Die Antwort der Alexander von Humboldt-Stiftung: durch die
Anwerbung ausländischer Spitzenforscher, die eine Zeit lang in Deutschland
leben und positive Erfahrungen mit in ihr Land zurücknehmen. Hier machen
die unbürokratische und persönliche Betreuung und die lebenslange
Nachbetreuung die Besonderheit der Förderung durch die Humboldt-Stiftung
aus. Die zuvorkommende Behandlung, zahlreiche Stipendiatentreffen und nicht
zuletzt auch die Höhe der Stipendien geben den Mitgliedern der
"Humboldt-Familie" das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein. Die
Anforderungen wurden dabei im Laufe der Zeit immer weiter hochgeschraubt.
Während zu Beginn die meisten Geförderten nur einen Master- bzw.
Magisterabschluss hatten, wird seit Mitte der 70er Jahre die Promotion
"oder Äquivalent" ausdrücklich von allen Bewerbern verlangt. 

Politisch unabhängige Wissenschaftsförderung

Die vom Auswärtigen Amt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
finanzierte Organisation lässt ihre Stipendiaten ausschließlich von
Wissenschaftlern auswählen. Das Renommee der Stiftung basiert zu einem
erheblichen Teil auf dem aufwendigen, in hohem Maß um Objektivität bemühten
Auswahlverfahren. "Die Kriterien von Politikferne und Unabhängigkeit haben
den Erfolg der Stiftung begründet und für Deutschland ein Vertrauenskapital
geschaffen, das in Geld nicht auszudrücken ist", betont der Präsident der
Humboldt-Stiftung, Prof. Wolfgang Frühwald. Dieser Erfolg lässt sich auch
mit Zahlen belegen: weltweit gibt es ein Netzwerk von rund 23.000
"Humboldtianern" aller Fachgebiete in 130 Ländern, seit den 70er Jahren
wurden 3.000 Humboldt-Forschungspreise vergeben und die Zahl der
Nobelpreisträger unter den ehemaligen Stipendiaten stieg bis zum Jahr 2003
auf 35. Zahlreiche ehemalige Stipendiaten, insbesondere aus Osteuropa und
außereuropäischen Ländern, gelangten in hohe politische Ämter, andere
nahmen Führungspositionen im akademischen Sektor der USA ein. 

Keine Fachidioten

"Auch in Zukunft wird die Alexander von Humboldt-Stiftung herausragende
Einzelne fördern, die als Mittler und Multiplikatoren für ein
differenziertes Deutschlandbild gewonnen werden sollen und die während
ihres Deutschlandaufenthalts größtmögliche Freiheit bei der Durchführung
ihrer Forschungsvorhaben bekommen", glaubt Christian Jansen. Dabei wird sie
weiterhin besonderes Augenmerk auf Wissenschaftler richten, die über ihr
eigentliches Gebiet hinaus auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen
versiert sein sollten. Die Schere zwischen der Zahl der Humboldtianer und
den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln öffnet sich weiter: Einen
Teil der Nachbetreuung sollten zukünftig die inzwischen weltweit
entstandenen Humboldt-Clubs ehemaliger Stipendiaten verstärkt leisten - und
nicht nur wie bisher die Godesberger Geschäftsstelle. 


INFO

Christian Jansen: "Exzellenz weltweit. Die Alexander von Humboldt-Stiftung
zwischen Wissenschaftsförderung und auswärtiger Kulturpolitik (1953-2003)",
DuMont Literatur- und Kunstverlag Köln, ISBN 3-8321-7423-0, 248 S., 39,90
Euro

Prof. Dr. Christian Jansen
Neuere und Neueste Geschichte
Fakultät für Geschichtswissenschaft
Ruhr-Universität Bochum, GA 4/149, Tel.
0234/32-25026
E-Mail: christian.jansen-2 at rub.de