[WestG] [AKT] Arnsberger Kloster Wedinghausen besass 1000 Jahre alten Gero-Codex

Rita Börste rita.boerste at lwl.org
Don Apr 8 17:14:40 CEST 2004


Von: <pressestelle.henneke at arnsberg.de> 
Datum: 08.04.2004, 13:14


AKTUELL

UNESCO-Weltdokumentenerbe hatte Heimat in Arnsberg
Arnsberger Kloster Wedinghausen besaß 1000 Jahre alten Gero-Codex

Arnsberg. Bei der Aufarbeitung der weitgehend unerforschten Geschichte der 
ehemaligen Klosterbibliothek ist der Germanist und Latinist Manuel Homburg auf 
eine Sensation für Arnsberg und Westfalen gestoßen: Der Gero-Kodex, eine prachtvolle 
Pergamenthandschrift aus dem Jahre 969, war eine Zeit lang im Kloster 
Wedinghausen beheimatet. Dieser Schatz der Menschheit, entstanden in der 
berühmten Malschule der Klosterinsel Reichenau im Bodensee, wurde erst im 
August 2003 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe erklärt. "Dieser Fund zeigt, 
dass Arnsberg mit Kloster Wedinghausen eine herausragende Rolle in der europäischen 
Klosterlandschaft inne hatte", zeigt sich Bürgermeister Vogel beeindruckt von 
der Nachricht. "Wir sehen uns damit bestätigt, den - verlorenen -, da in seiner 
Bedeutung vergessenen Ort weiter auszubauen und städtebaulich aufzuwerten", 
so Vogel weiter. "Wir wollen ihn als Kulturort wiedergewinnen, um neue Gäste und 
Besucher der Stadt zu gewinnen."

Geistiges und kulturelles Zentrum für die Region
Arnsberg hat sich bereits aufgemacht, den nach der Säkularisation verlorenen und 
vergessenen Ort des Klosters Wedinghausen wieder ins Gedächtnis zurückzurufen und 
auf die Bedeutung dieses geistigen und geistlichen Zentrums für die Westfalen 
aufmerksam zu machen. Ein fester Bestandteil dieser Wiederaufwertung des 
Klosterbereiches stellt auch die Erfassung der ehemaligen Klosterbibliothek dar, 
deren Bestände heute weit verstreut sind und deren Reste sich in der Historischen 
Bibliothek des Gymnasium Laurentianum befinden, das aus der frühe-ren Klosterschule 
hervorgegangenen ist. Mit den Arbeiten in der Historischen Bibliothek ist seit einem 
halben Jahr Manuel Homburg betraut. Dabei fand er heraus, was auch durch mehrere 
wissenschaftliche Veröffentlichungen gesichert ist, in Westfalen aber bisher unbekannt 
geblieben ist: Der Gero-Codex war eine Zeit lang im Arnsberger Kloster Wedinghausen. 
Es gibt ein Arnsberger Evangelistar wie es ein Lorscher Evangelistar gibt.

Unermesslicher kulturgeschichtlicher Wert
Der Gero-Kodex liegt heute in der Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt. Um das 
herausragende Kunstwerk der vorletzten Jahrtausendwende vor dem Zerfall zu 
bewahren und es für die Menschheit zu retten, wird es in einem klimatisierten Raum in
einem gesonderten Magazintrakt sicher gehütet. Selbst Wissenschaftler erhalten nur in 
Ausnahmefällen Zugang zu der Handschrift. Zwar ist der Gero-Codex mit 30 Millionen 
Euro versichert, sein eigentlicher sak-raler und kulturgeschichtlicher Wert lässt sich 
aber mit Zahlen nicht ermessen. Wer die Gelegenheit hat, den Gero-Codex in einer 
Ausstellung zu bewundern, sollte sich diese keinesfalls entgehen lassen, denn er darf 
jeder Generation nur einmal gezeigt werden, d.h. höchstens viermal in einem Jahrhundert.
Der Gero-Kodex des Klosterschreibers Anno zählt zu zehn Pergamenthandschriften, die 
alle-samt in der weltberühmten Malschule auf der Klosterinsel Reichenau im Bodensee 
entstanden sind, und die am 30. August 2003 in das UNESO-Programm "Memory of the 
World" aufgenommen wurden. Dieses 176 Pergamentblätter starke Evangelistar mit 
Auszügen aus den vier Evangelien des Neuen Testamentes wurde vom späteren Kölner 
Bischof Gero (969-976) für den Kölner Dom in Auftrag gegeben. Von Köln gelangte es 
ins 1170 gestiftete Prämonstra-tenserkloster Wedinghausen in Arnsberg, wo es bis zur 
Aufhebung des Klosters im Zuge der Sä-kularisation vor 201 Jahren aufbewahrt wurde. 
Vom neuen Landesherrn, dem hessischen Landgrafen Ludewig X., wurde es neben 
anderen Prachthandschriften und wertvollen gedruckten Büchern nach Darmstadt 
mitgenommen. 


Die Osterinitiale des Gero-Codex
Der in karolingischen Minuskeln geschriebene lateinische Text des Gero-Codex enthält 
298 Evangelienlesungen für den gesamten Jahreslauf.
Am Beginn eines jeden neuen Abschnitts stehen kunstvoll verschlungene Anfangsbuch-
staben (Initialen), deren Formen und Farben ständig variieren. Vor allem aber bestechen 
den Bet-rachter zahlreiche ganzseitige Miniaturmalereien, deren akanthusumkränzte 
Darstellungen im Glanz von Gold- und Purpurtinte erstrahlen.Die abgebildete Initiale M 
ergibt zusammen mit den sie umgebenden Buchstaben den Na-men MARIA, das Wort, 
mit dem die Ostergeschichte des Evangelisten Markus beginnt. Das M durchbricht mit 
seinen Seitenarmen links und rechts den Rahmen des Bildes, genau wie Christus durch seine Auferstehung die Grenze zwischen Tod und Leben.
Den Mittelschaft dieses Unzialbuchstabens M bildet ein turmähnliches Gebäude. Es stellt 
das Grab des gekreuzigten Gottessohnes dar und steht genau im Mittelpunkt der 
Aufmerksamkeit des Betrachters und der abgebildeten Personen. Erstmals in der Initialkunst 
des Abendlandes wird hier ein Bauwerk im wahrsten Sinne des Wortes als tragendes 
Teil in den Initialbuchstaben miteingebaut. Auf der linken Seite betritt Maria Magdalena die 
Szene. Sie trägt zwei goldene Ölgefäße, denn sie will den Leichnam des Gottessohnes 
salben. Begleitet wird sie von Maria, der Mutter des Jakobus. Aus den Gesichtern beider 
Frauen sprechen Angst und ungläubiges Staunen, als sie sehen, dass das Grab geöffnet 
und leer ist. Zur Rechten sitzt ein Engel auf der Grabplatte, die er zuvor vom Grab 
gewälzt hat. Man sieht seine rechte Hand zum Sprechgestus erhoben. Er verkündet 
den Frauen die Auferstehung und versucht sie zu beruhigen.
Innerhalb des Gero-Codex, der ja an und für sich schon ein außergewöhnliches Kunstwerk 
ist, bildet die Osterinitiale M eine einzigartiges Besonderheit. Während der Künstler des 
Reichenauer Skriptoriums zu den anderen hohen kirchlichen Feiertagen jeweils "lediglich" 
eine ganzseitige Initiale mit leuchtenden Farben aufwendig gestaltet, wird zum Osterfest 
die biblische Geschichte zusätzlich auch im Bild erzählt. Die zwei Darstellungsformen, 
Gemälde und ge-schriebenes Wort, ergänzen sich hier nicht nur in idealer Weise, 
sondern verdoppeln dadurch, dass sie nebeneinander auftreten, die Bedeutung des 
ungeheuerlichen Ereignisses der Auferstehung, nämlich den Triumph des Lebens über 
den Tod.