[WestG] [AKT] Wie sich Weihnachten in Westfalen veraendert hat

Rita Börste rita.boerste at lwl.org
Mit Dez 17 11:38:31 CET 2003


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org> 
Datum: 17.12.2003, 11:13

AKTUELL

Der Weihnachtsmann hat die Nase vorn:
Wie sich Weihnachten in Westfalen verändert hat

Einer Umfrage von 1930 zufolge teilten sich vor gut 70 Jahren Christkind und
Weihnachtsmann noch die Arbeit des Geschenkebringens. Während das Christkind v.a. für
West- und Süddeutschland sowie Schlesien zuständig war, schleppte der Weihnachtsmann
seinen Gabensack durch ganz Mittel-, Nord- und Ostdeutschland. "Seit dem 2. Weltkrieg
hat sich die Popularität des Weihnachtsmannes jedoch merklich gesteigert, während das
Christkind ein wenig in Vergessenheit zu geraten scheint", beschreibt Christiane Cantauw,
Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die jüngere Entwicklung
der Weihnachtsbräuche. 

Bereits Martin Luther kannte die Figur des Christkindes. Seine Gestalt verdankt es wohl 
einem engelsgleichen Wesen, das schon vor der Reformationszeit ausgestattet mit Schleier, 
Krone und Engelsflügeln bei Weihnachtsumzügen die Engelschar anführte. 
Der Weihnachtsmann ist eine wesentlich jüngere Erscheinung: Er gesellte sich
erst im 19. Jahrhundert zu Nikolaus und Christkind hinzu. In ihm vereinen sich Eigenschaften
des Nikolaus und des Knechts Ruprecht, von dem er Pelzrock, Kapuze, Stiefel, Sack und Rute
entlieh. 

"Der Weihnachtsmann tritt meist als eine Art Vaterfigur mit nahezu unantastbarer
Autorität auf. Mit seinem wallenden Glitzerbart erinnert er die Kinder an den gütigen aber
auch strengen Gottvater. Er bot der bürgerlichen Pädagogik die Möglichkeit, das Verhalten
der Kinder zu belohnen oder zu bestrafen", erklärt Cantauw. In dem Maße, in dem die
pädagogische Seite des Weihnachtsmannes in den Vordergrund rückte, verloren die
religiösen Züge an Bedeutung. Das erste Bild des Weihnachtsmannes stammt übrigens von
Moritz von Schwind, der 1847 einen "Herrn Winter" kreierte, der als alter Mann in der
Christnacht von Tür zu Tür geht und schaut, ob man ihm nicht öffnet und von ihm einen
geschmückten Weihnachtsbaum als Geschenk annimmt. 

Nicht nur die Gestalt der Geschenkebringer, sondern auch das Weihnachtsfest veränderten 
sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten drastisch: Der 24. Dezember ist heute als Heiliger 
Abend der Hochtag der Geschenke und des guten Essens. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts 
hatte der "Wiehnachtsowend", "Christowend" oder "Chrisdagsobend" für die katholische Bevölkerung
in den ländlichen Gebieten Westfalens eine ganz andere Bedeutung: "Der 24. Dezember wurde
als ein Fastentag vor einem hohen Feiertag angesehen. Die Menschen arbeiteten bis abends,
erst danach konnten sie letzte Vorbereitungen und Besorgungen für das Weihnachtsfest
erledigen. 

Und dann ging man zeitig zu Bett, schließlich begann die Christmette am 1.
Weihnachtstag bereits zwischen 3 und 5 Uhr morgens", so Christiane Cantauw. Die Kinder
stellten am Abend des 24. Dezembers einen Teller vor die Tür. Am Weihnachtsmorgen war der
Teller dann mit Süßigkeiten, Backwaren und Obst gefüllt. Im Laufe der Zeit traten mehr und
mehr auch warme Winterkleidung, Schulsachen und das ein oder andere Spielzeug zu den
Weihnachtsgeschenken hinzu. Vor 1900 fiel die weihnachtliche Bescherung in den meisten
Familien in Westfalen aber eher bescheiden aus. In den 1950er Jahren gab es in Münster einige
Zeit lang den Brauch, Verkehrspolizisten zu bescheren. Mit dem zunehmenden Autoverkehr in
der Innenstadt kam die Gepflogenheit auf, den Verkehrspolizisten in den Vormittagsstunden
des Heiligen Abends Präsente zu überreichen wie zum Beispiel eine Flasche Wein, einen Kasten
Bier, eine Packung Zigaretten oder eine Schachtel Pralinen. 

"Die Geschenke kamen weniger von Passanten als vielmehr von Fahrern und Insassen der Autos. 
Die Wagen fuhren langsam und die Fahrer reichten die Gaben aus dem Fenster. Oft waren diese 
Geschenke für einen bestimmten Polizisten gedacht, dem man tagein, tagaus auf dem Weg zur Arbeit 
oder nach Hause begegnete", erzählt Cantauw. 

Feuchtfröhliche Feste feierten die Hüter des rollenden Verkehrs aber nicht mit den teilweise 
hochprozentigen Gaben. Denn die Beamten durften die Präsente nicht behalten. Vielmehr 
sammelten sie die Geschenke und gaben sie an ein Altersheim oder andere
soziale Einrichtungen weiter. Dieser Brauch existierte auch in anderen Teilen Westfalens.
So war er beispielsweise bis in die Mitte der 1960er Jahre auch in Hagen bekannt.